Was darf ein Konzert eigentlich kosten?

Gerade ist es wieder passiert. Ich möchte zum Abschlusskonzert von Black Sabbath nach Birmingham. Die Band wird nie wieder gemeinsam live auftreten. Rücktritt vom Rücktritt ist schon allein durch die Krebserkrankung von Iommi ausgeschlossen.

Black Sabbath Screen Berlin

Die Flüge sind aktuell preiswerter als eine normale Bahnfahrt von Hamburg nach Düsseldorf. Warum also nicht mal in die britische Arbeiterstadt, in der die Live-Karriere von Ozzy Osbourne, Tony Iommi, Geezer Butler und Bill Ward begonnen hat.

Die Idee hatten allerdings deutlich mehr Menschen.

Innerhalb von Minuten waren die 15.000 Tickets der „Final Show“ ausverkauft. Nix mehr mit regulärem Steh- oder wenn es sein muss eben auch einem Sitzplatz. Früher wäre an dieser Stelle „Schluss, Aus und Finito!“ gewesen. Maximal Zeitungsanzeigen lesen oder vor die Halle stellen und den Schwarzhändlern das Geld in den Rachen werfen wäre dann noch eine Alternative gewesen. Oft genug gemacht. Blöd und ärgerlich. Das ist auch schon das passende Stichwort. In den Rachen werfen! Ich möchte die Offerten aber erstmal neutral als  Erlebnisprogramme der Bands und Veranstalter bezeichnen, da eine Bewertung in meinen Augen nicht unbedingt so einfach ist.

Wo ich früher noch 19 Mark / 9.50 Euro für mein erstes Konzert bezahlt habe und die Band am Umkleideraum Autogramme schrieb, gibt es heute wahre Erlebniswelten in der Vermarktung des Rock und Pop. Klar. Das ist gefühlte 80 Jahre her, es gab noch D-Mark und keine CDs.

Extrabreit

Heute hast Du die Auswahl zwischen z. B. Vip-, Hot-, Soundcheck-, Meet & Greet- und Ultimate-Experiances. Noch nie gehört? Dann leg mal die Ohren an, mit welcher Kreativität die Musiker, Veranstalter und Zweit- und Drittvermarkter heute Geld verdienen. Mit CD-, MP3- und Streamingdiensten ist nicht mehr so wirklich viel Geld zu machen. Also muss die Kohle eben bei Live-Events und mit Fanartikeln reingeholt werden. Und damit geht die „Fan-Experience“ los.

Anvil Hamburg Markthalle

Anvil: Kostenlos und in Farbe standen die Kanadier nach dem Hamburger Auftritt im Vorraum der Halle.

Die Ticketpreise zur letzten Show im Februar 2017 fangen bei ca. 108 Euro* an. Dafür muss ne alte Oma schonmal lange stricken. Nun ist es aber nicht so, dass Stehplatz gleich Stehplatz ist. Da gibt es neben dem bekannten Stehplatz im Innenraum zusätzlich den sogenannten „Golden Circle“. Ein extra abgesperrter Bereich direkt vor der Bühne. Dieser Service wird mit 137 Euro* abgerechnet. Ein Sitzplatz ist erstaunlicherweise ebenfalls für 108 Euro* zu bekommen und wird nicht in verschiedene Preiszonen untergliedert. Das Niveau ist also mit den deutschen Axl/DC-Shows zu vergleichen.

Die nächste Variation eines einmaligen Konzertereignisses sind die „Hot-Tickets“. Der Deal beinhaltet für einen Preis von ca. 220 Euro* die Eintrittskarte im Sitzbereich, einen laminierten Tour-VIP-Pass, ein VIP-Tour-Geschenk (kann ein Foto, T-Shirt oder was auch immer sein) und „on-site event staff“. Vermutlich holen die das Bier.

Black Sabbath Berlin 2013

2013 noch 80,25 Euro für ein Ticket

Nicht exklusiv genug? Dann schauen wir uns mal die VIP-Tickets an. Du bekommst eine Eintrittskarte mit Sitzplatz, Parkplatz direkt vor der Arena, VIP-Eingang, drei Getränken und ein zwei Gänge-Menü. Nochmal zur Erinnerung: Wir sind bei Black Sabbath! Die Nummer jedenfalls lässt sich der Veranstalter mit 228 Euro* bezahlen.

Aber da geht ja noch viel, viel mehr…

Das vom Veranstalter angebotene Early Entry-Ticket bietet dem geneigten Käufer ein Stehplatz-Ticket im Golden Circle. Wir erinnern uns: Das Ticket direkt vor der Bühne gab es regulär für 137 Euro*. Dazu gibts – der Name verrät es – die Möglichkeit noch vor allen anderen zum abgesperrten Stehplatzbereich zu gehen. Damit nicht genug! So beglückt uns der Anbieter auch gleich noch mit den Vorteilen des o. g. Hot-Tickets! Tourpass, Geschenk und Bierholer gibts dazu. Mit 242 Euro* bist Du dabei! Und beachte: Die Zugaben des „Hot Tickets“ werden mit entspannten 105 Euro* Aufpreis zum regulären „Golden Circle“-Ticket verkauft. Kein so schlechtes Geschäft.

Einen Abend mit Nita Strauss der ALICE COOPER-Band. Kostenlos im Musikhaus beim Gitarrenworkshop

Wolltest Du schon immer mal den Soundcheck einer Band sehen? Bei den Kollegen von Black Sabbath kein Problem. Zu dem vorab beschriebenen Early Entry-Ticket bekommst Du zusätzlich noch die Möglichkeit, Dir den Soundcheck anzuschauen. Ob eine Bühnenrundführung stattfindet, kann ich nicht sagen. Die Band triffst Du  jedenfalls nicht. Dafür benötigst Du – klar, Du ahnst es schon – ein extra Paket. Das Soundcheck-Erlebnis gibt es jedenfalls zum Preis von 356 Euro*.

Aber warum eigentlich nur Soundcheck? Die Herren von Black Sabbath auf ihrer letzten Tour treffen, ist auch möglich. Das buchbare Meet & Greet-Paket baut auf das Soundcheck-Paket auf. Du triffst Ozzy, Tony und Geezer für ein gemeinsames Foto. Ließen sich die Herren Osbourne und Co. vor drei Jahren in Berlin noch mit 600 Euro entlohnen, gönnen Sie sich beim Abschlusskonzert mit 1.350 Euro* einen deutlich größeren Schluck aus der Pulle.

40 Euro für ein Treffen mit Dickschneider inkl. T-Shirt, Pass und unlimited Autogramme finde ich völlig in Ordnung.

Ne Menge Holz also für einen Abend. Aber „Hey! Du willst mehr?“ Auch das ist selbstverständlich kein Problem! Du kannst für das entsprechende Kleingeld die ganzen beschrieben Leistungen aller Pakete zusätzlich mit einem interview hinter der Bühne mit Ozzy krönen. Hier darfst Du ihm für 2.230 Euro* ein paar Fragen stellen und das ganze mit einer kleinen Kamera filmen.

Du siehst also, dass Du allein bei dem offiziellen Black Sabbath-Verkauf eine Auswahl zwischen acht Optionen hast. Wenn Sie nicht schon ausverkauft sind.

Firewind - Gus G. Gitarrenworkshop

Gitarrenworkshop mit Gus G. – Firewind/Ozzy Osbourne. Kostenlos und lehrreich

Ich will aber doch nur einen Stehplatz ohne Schnickschnack.

Willst Du trotzdem zu einer ausverkauften Show, bleiben Dir noch ein paar andere Möglichkeiten, durch die Tür zu kommen. In Deutschland hat es sich für mich bewährt, Tickets über Ebay-Kleinanzeigen und Ebay zu kaufen. Auch sinnvoll sind Mitgliedschaften z. B. in Facebookgruppen und Web-Foren, die sich mit Tickettausch und Verkauf beschäftigen. Such einfach danach in die jeweiligen Fan- und Band-Gruppen. Einige schreiben sich auch auf die Fahne, Tickets nur „fair“, also zum originalen Preis zu verkaufen. In England gibt es diese Option bei Ebay jedoch nicht (mehr). Sobald Du ein Ticket dort anbietest, löscht es die Auktionsplattform. Selbstverständlich nicht ohne Hinweis, die Tickets auf der Plattform StubHub zu Verkaufen. StubHub – an Ebay company…

Auf der Insel liegt der Ticketmarkt bei professionellen Firmen, die Ticketbestände aufkaufen oder eine offizielle Handelsplattform anbieten. Blöd nur für den Käufer, dass die angeblich privaten Verkäufer saftige Aufschläge nehmen und die Agenturen den Deal zusätzlich mit happigen Gebühren je Ticket belegen. Ich schließe ja nicht aus, dass dort auch private Verkäufer findet. Trotzdem wundere ich mich immer wieder, wie kurz nach Ausverkauf eine Umsatzmaximierung betrieben wird.

Seatwave, Viagogo, StubHub und wie sie alle heißen, sind voll mit den von mir gesuchten Black Sabbath-Karten. Eine Stunde nach Ausverkauf über die regulären Ticketshops. Die Rechnung sieht dann wie folgt aus: Ein Stehplatz-Ticket kostet regulär 108 Euro. Bei den genannten Agenturen kostet nun ein gleiches Ticket ab (!) 186 Euro. Jeder Verkäufer kann hier seinen eigenen Verkaufspreis bestimmen. Hinzu kommt die Gebühr der Plattform. In diesem Beispiel von Seatwave sind das satte 33,75 Euro. Das bedeutet, das Stehplatz-Ticket bekomme ich für 219 Euro und sicher nicht Versandkostenfrei. Wenn ich denn wollte.  Damit wäre ich – nebenbei bemerkt – schon wieder bei Preiskategorie Hot-Ticket mit zwei Gänge Menü oder VIP-Ticket. Ein Schelm der Böses dabei denkt, wenn man überlegt, dass hinter den „Zweitvermarktern“ häufig die ausverkauften Tickethändler stehen.

Ein Tipp, wenn du bei dem ersten Wurf kein Ticket bekommen hast: Melde dich einfach bei den Jungs von CTS Eventim an. Hier bekommst Du über die Plattform „Fan Sale“ meist noch Tickets zu vernünftigen Preisen. Und wenn sie doch teurer sind: Hier sind sie in jedem Falle geprüft und echt!

Ob die Preise gerechtfertigt sind, soll und muss jeder für sich selbst entscheiden. Die Gegenleistung ist eine extrem individuelle und kann nur schwer verglichen werden. Grundsätzlich finde ich solche Angebote sehr gut, auch wenn ich sicher keine 2.000 Euro für ein Event bezahle.

Hellbent for Leather

Schön nah an der Bühne. Bei Judas Priest auch ohne ein „Golden Circle-Ticket“ möglich

Natürlich sind auch nicht alle Veranstaltungen so teuer.

Je nach Bekanntheitsgrad und Mentalität der Bands und Veranstalter gibt es auch durchaus preiswerte oder gar kostenlose Events. Wenn man das Glück hat, in oder in der Nähe einer Großstadt zu wohnen, ist die Anzahl sicher größer als auf dem Lande in der tiefsten Provinz. Daher bin ich dazu übergegangen, Konzertkarten die nicht für Iron Maiden oder eben ganz besondere Veranstaltungen sind, erst knapp vor dem Ereignis zu kaufen. Häufig auch erst am gleichen Tag. Das spart eine Menge Geld, kann aber auch mal schief gehen. Deep Purple-Karten habe ich zum Beispiel für 26 statt für 66 Euro bekommen. Für Unheilig, die ich eigentlich überhaupt nicht auf dem Plan hatte, waren sogar nur 20 Euro für zwei Tickets fällig. Dumm gelaufen ist es für uns bei Def Leppard / Whitesnake in London. Die Preise sind kurz vorher dermaßen explodiert, dass wir abgewunken haben. Stehplatz für 300 Euro. Ne, vielen Dank! Da nützt auch ein günstiger Flug nichts mehr. Das Hotel haben wir dann eben verfallen lassen müssen. Ärgerlich, aber ist halt mal so. Der Flug ist storniert worden.

Accept After Show

Durch einen lieben Kollegen die Möglichkeit bekommen, mit Accept ein Bier im Bandbus zu trinken. Unbezahlbar und doch kostenlos.

Auf der Suche nach Karten stoße ich immer wieder auch auf negative Bewertungen von solchen Ticketagenturen. Der Tenor ist, dass sie einfach zu teuer sind. Als Fan sehe ich das natürlich auch so. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es allerdings schlicht ein riesen Geschäft und am Ende kann jeder für sich selbst entscheiden, ob und welche „Fan-Experience“ er sich leisten kann und möchte.

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Am Montag gehe ich zu SIXX A.M. im Hamburger Knust. Nikki Sixx, Gründer von Moetley Crüe, DJ Ashba, der einige Jahre bei Guns´n´Roses an der Gitarre zupfte und James Michael, der neben anderen auch Meat Loaf, Mötley Crüe und eine Band aus Hannover produziert hat, stellen für knappe 35 Euro in einer kuscheligen Halle ihre neue LP vor. Die in den USA für 500 Dollar angebotenen Meet & Greet scheinen hier nicht verfügbar zu sein. Ich glaube, bei der Band funktioniert das nur in den Staaten.

Ich habe neulich in einem Forum den Eintrag eines Fans gelesen, der sagte: „Ich finde es eine Sauerei, dass Du (Nikki Sixx) soviel Geld für ein Meet & Greet nimmst. Aber ich bin mein Leben lang ein Fan Deiner Musik und die „once in a lifetime“-Chance lasse ich mir nicht entgehen.“

Ich bin sicher! Trotz des Preises ist er im Anschluss glücklich. Und nur das zählt.

  • *Ich habe hier und bei den Berechnung von Pfund zu Euro auf- oder abgerundet. Ohne Versandkosten nach Deutschland.

Danke für´s Lesen.

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Punkt!

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