Vinyl: 220 Euro sparen oder: Wie in Millisekunden ein Markt zusammenbrechen kann…

Nach meinem Wiedereinstieg in das Thema „Vinyl“ war klar, dass ich meine Iron Maiden-Sammlung erneut aufbauen musste. Wenn ich an die alten und originalen Scheiben meiner langen Sammlerkarriere denke, die ich auf einen Schlag dank eines „Freundes“ verlor, kommen mir noch jetzt die Tränen.

Damals war der Einkauf noch ein Abenteuer. Ohne Internet und mit kleinen, gedruckten Bestellkatalogen der Plattenfirmen und -händler. Wochenlang wartete ich auf die Lieferung von „Maiden-Japan“. Ich hatte sie bei einem kleinen, brasilianischen Versand bestellt. Enorme Versandkosten, aber die Scheibe musste her.

Gerne fuhr ich auch mit der geliehenen Puch Maxi N aus unserer kleinen, westfälischen Gemeinde in die nächste Stadt. Ohne Führerschein, aber mit der neusten Maiden-Platte auf dem Rückweg. Und wenn das Mofa nicht verfügbar war, musste das Fahrrad oder eben der Bus herhalten. 13 km je Weg waren weder für „The Number of the Beast“ noch für „Seventh Son of the Seventh Son“ zu weit.

Veröffentlichungstag ist Veröffentlichungstag.

Ich zog Anfang der 90er nach München und habe aus Platzgründen damals meine LP-Sammlung bei einem Freund untergestellt. Er wollte pfleglich darauf aufpassen. Geschätzte 100-150 Vinyl-Scheiben. Limitierte Erstpressungen. Picture- und Coloured-Disc und so weiter und so fort…

Irgendwie kam dann alles anders!

Kannst Du Dich noch an den im Tageszeitungsformat gedruckten „Der heiße Draht“ erinnern? Quasi das gedruckte, analoge Ebay-Kleinanzeigen? Die Freitags erschienene Zeitung war damals ziemlich in Mode. Alles, was man irgendwie loswerden wollte, wurde dort annonciert und häufig auch verkauft. Autos, Bücher, Surfbretter, Möbel, Technik… Nahezu jeder Wunsch konnte erfüllt werden. Und auf diesem Wege wurde meine damalige Sammlung wohl versilbert. Irgendwann war sie einfach weg. Der „Freund“ behauptete damals, ich hätte sie ihm geschenkt! Und überhaupt ist die Erde eine Scheibe…

Dann mal los: „Neuaufbau“ meiner Maiden-Sammlung

Die Langspielplatten bis zum Beginn der 90er Jahre noch relativ gut zu bekommen. Die Presswerke liefen damals auf Hochtouren. Allerdings nicht mehr lange. Mitte der 80er begann die neue Technik der CD-Player die gute, alte Vinylscheibe aus dem Markt zu fegen.

Kaum noch jemanden interessierte die analoge Scheibe.

Compact Disc! Digitaler Klang! Der neue heilige Gral der Musikindustrie war geboren. Und ohne Frage: Den Zug hab ich gleich zu Beginn gekapert. Sicherlich auch meinem Wochenendjob als DJ in einer Rock-Disco geschuldet. Fix wuchs mein Bestand an kleinen Silberlinge. Die Disc waren auch im Auto abzuspielen und kaum noch jemanden interessierte die klassisch gepresste Viny-LP. Ab auf den Flohmarkt damit – wenn man noch welche hatte. Davon wurden dann neue, moderne CD gekauft.

Mit der gefühlten Explosion der CD-Produktion reduzierten die ersten Musiklabel logischerweise die Vinylangebot drastisch. Bis es kurz darauf fast komplett eingestellt wurde. Kleinere Presswerke mit geringen Auflagen verschwanden – bis auf sehr wenige – ebenso schnell vom Markt. Die großen Label änderten die Strategie und konzentrierten sich auf die kleinen Silberlinge. Daher gab es von dem 1995 erschienenen Album X-Factor, der ersten Scheibe der Blaze-Ära bei Maiden, nur relativ wenig bunte Scheiben. Auch Schwarzpressungen waren schwer zu bekommen.

Und genau hier fing das Problem für meine Sammlung 2015 an.

Der neue Plattenspieler war da, aber das Material mit Ausnahme des Gebrauchtmarktes noch eher dürftig. Schnell nach „X-Factor“ gegoogelt und fast tot vom Stuhl gefallen. Wie jetzt? 180 Euro? Und nur eine LP aktuell im Verkauf? Komisch. Weiter zu den nächsten Alben. Virtual XI eingetippt, Ergebnis bei Ebay: Nix… Dann eben zur 2000er Brave New World. 250 Euro… Wo sollte das noch hinführen. Gut. Dass die Soundhouse Tapes, Maidens erste Vinylpressung inzwischen gerne mal um die 2.000 Dollar  kostet, ist sicherlich alles andere als normal. Für den Fan aber irgendwie dann doch. Es gab von den Pressungen 1979 nur 5.000 Stück weltweit und das sich diese – sofern heute noch erhalten – fast ausschließlich in Sammlerhand befinden, ist klar. Es gibt inzwischen mehr Fakes als Originale am Markt. Und diese sind nur sehr schwer von den echten Scheiben zu unterscheiden. Für eine LP aus dem Jahr 2000 allerdings solche Beträge aufzurufen, fand ich dann schon sehr weit entfernt jeglicher Realität.

Noch nicht komplett – Neuaufbau meiner Maiden-Vinylsammlung

Glücklicherweise hatte ich 2003 die Picture Disc des Livealbums Rock in Rio gekauft. Inzwischen mit über 300 Euro gehandelt, ist mir das bunte Teil schon fast zu Schade für den Player. Aber da muss sie durch. Die nachfolgenden Scheiben wurden ebenfalls in geringen, aber stetig steigenden Auflagen gepresst. Auch diese kaufte ich nicht. Wofür auch? Die ollen Platten hatten thematisch noch immer nicht zu mir zurück gefunden. Bis zu „Book of Souls“ brauchte ich keine, sich mit 33 Umdrehungen pro Minuten drehenden Scheiben. CD und später eben Downloads waren bequemer. Jedoch gerade bei Downloads und Streaming kam relativ schnell die Erkenntnis: Klingt irgendwie dünn. Klingt so, als wenn was fehlt.

Nachdem ich den neuen Dreher nach über 20 Jahren erstand und die Studioalben nach und nach zusammenkaufte, fehlten noch die beiden „X“-Scheiben und „Brave New World“. Alle anderen bekam ich zu einen schmerzvollen, aber für mich noch akzeptablen Preis. Diese drei Titel waren mir allerdings schlicht zu teuer. Punkt! Dann eben weiter als CD hören. Aber es nagte an mir. Kaum wurde eine der Scheiben bei Ebay eingestellt, bekam ich eine Mail, bot bis zu einem gewissen Betrag mit und bin dann ausgestiegen. Gewonnen haben in diesen Fällen immer die anderen. Die, die bereit waren, 200 und mehr Euro für das Vinyl auf den Tisch zu legen, bzw. via Paypal ins Ausland zu schicken. Bis dann eines Tages eine kleine, aber feine Ankündigung auf der Webseite der Band zu finden war: Der komplette Studio-Katalog ist wieder per Vinyl zu bekommen. Remasterte Versionen. In 180 Gramm schwarzes Vinyl gepresst. Zu Preisen von unter 30 Euro und in bester, neuster Qualität.

Inzwischen sind die noch fehlenden Scheiben angekommen. Eine Collectors-Box gab es selbstredend auch. Und damit war das Ziel in erreichbarer Nähe. Ich habe meine Sammlung an Studio-Alben endlich fast komplett und ob es sich um Picture-Erstpressungen oder schwarze Re-Pressungen handelt, ist mir völlig egal. Ich möchte sie hören und nur zweitrangig bunte, drehende Bilder sehen.

Der heilige Gral für den Maiden-Fan. 2.000 Dollar und mehr werden verlangt

Bis auf die Soundhouse-Tapes. Ob ich die allerdings jemals kaufe, lassen wir mal dahingestellt.

Noch eine kleine Geschichte zum Abschluss:

Am Abend der Veröffentlichung der Pressemeldung zu den remasterten Scheiben bekam ich die Mail eines Sammlers. Ich hatte ihn vor einiger Zeit angeschrieben und ihm ein Angebot unterbreitet. Eine Antwort bekam ich monatelang nicht. Jetzt wollte er mir aber noch schnell die „Brave New World“ zum Sonderpreis anbieten. Für 250 Euro würde er sie mir jetzt überlassen und den Versand würde er auch ausnahmsweise übernehmen.

Gute 220 Euro preiswerter hatte ich sie zwei Stunden vorher als neue Version bestellt. An seinen Prinzipien festzuhalten, lohnt eben doch.

Die Thematik der Preise und Verfügbarkeit ist sicherlich bei vielen, alten Bands ähnlich. Ob nun Iron Maiden, die Stones oder andere, große Musiker. Geh auf Flohmärkte und schau nach Re-Pressungen.

Wenn es Dir „nur“ um das Hören und das haptische Gefühl beim Auspacken einer LP geht, fährst Du sicherlich deutlich günstiger damit. Und spannend ist das Jagen und Sammeln auch noch.

Punkt!

Danke für Lesen.

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