Roadie for one day – Anvil in Hamburg

Crowdfunding ist schon seit längerer Zeit im Web ein Thema zur Finanzierung einer Geschäftsidee. So ist es nicht außergewöhnlich, dass Musiker ihre Alben durch ihre Fans vorfinanzieren lassen. Damit besteht die Möglichkeit, Projekte auch ohne großes Plattenlabel zu realisieren. Mein Kollege Ron Cazzato, Ex-Sänger von 4Lyn hat so sein Solo-Album nach Auflösung der Band realisiert. Saxon machen es. Und so eben auch ANVIL.

Benötigt wurden für die Produktion „Pounding the Pavement“ einige zehntausend Dollar. Also (vor-) verkauften die Kanadier zum Ende letzten Jahres neben den CD und Vinyl-Versionen des neuen Albums auch signierte Medien. Aber noch viel spannender:

Es gab eine Menge unterschiedliche Erlebnisse zu buchen.

Wie wäre es zum Beispiel, einen Tag mit Anvil zu verbringen? Oder vielleicht doch eine Gitarrenstunde mit Lips oder Drum-Lessons mit Robb? Live oder per Skype war es möglich. Auf der neuen Scheibe im Backgroundchor bei „Bitch in the Box“ zu singen, ist für Fans garantiert ein unvergessliches Erlebnis. Buchbar war es und schnell ausverkauft ebenfalls. Ich fand das „Roadie for one day!“-Paket spannend und bestellte es. Einfach mal hinter die Kulissen eines Tour-Alltag schauen, stellte ich mir interessant vor. Eine signierte CD mit meinem Namen in den Credits sollte es als Erinnerung für relativ wenig Geld auch noch geben. Die Vinylversion wollte ich mir vor dem Konzert signieren lassen.

Ein paar Tage vor dem Halt in der Hamburger Markthalle schrieb mir Tourmanager James die Details via WhatsApp.

5. April. Punkt 13.00 Uhr. Markthalle Hamburg.

Dort begann das gefühlte Praktikum „Roadie for one day“. An einer Stelle, die man als Konzertbesucher sonst eher selten zu sehen bekommt. Hinter der Halle. Am Bandbus, der für die Europatour bei Berlin Rock Coaches gebucht war. Bis zu 18 Betten sind in einem solchen Fahrzeug untergebracht und Schlagzeug, Verstärker und sonstiger Tour-Kram werden im Hänger gezogen.

Nun kannte ich den Bus der 2015er ACCEPT-Tour von innen. Gemütliche Sitzecken, großer Kühlschrank und eine PSX gehört inzwischen fast zum Standart in der Ausstattung von Tourbussen. Hier ging es allerdings nicht um das Bus-Innere, sondern um´s Ausladen.

Sechszehn Mann umfasst die Crew. Ton- und Lichttechniker, Busfahrer, Management, Gear-Tech und nicht zuletzt die Musiker. Zusätzlich die örtlichen Promoter und eben der Roadie for one day. Ich!

Fix hatten wir mit der kompletten Crew den Anhänger ausgepackt und das Equipment via Aufzug in die Markthalle hochgefahren. Den Rest machten die Profis allein. Aufbauen, Einstellen und Einpegeln…

Robb Reiner beim Aufbau seines Drumsets

Gegen 15.30 Uhr begann der erste Soundcheck. Chris, Robb und Lips von Anvil spielten zwei Lieder, prüften den Aufbau, die Instrumente und den Klang der Monitore. Gute 15 Minuten und die technische Vorbereitung der Band für die Show war abgeschlossen.

Wir kamen zum gemütlichen Teil.

Schon zu Beginn des Tages meinte Tourmanager James, dass ich überall hin und alles nutzen könne. So fand ich mich relativ schnell auf dem Sofa neben Drummer Robb Reiner wieder. Wir philosophierten über gemalte Kunst und Schlagzeugtechniken. Dass wir aber am Ende bei Schuhen (!) und dem Lieblingsschuhladen des Drummers auf der Reeperbahn landen, war dann ja doch ungewöhnlich. Und sehr sympathisch.

Spannend fand ich eine Aussage über das Tourleben. Wolf Hoffmann von Accept sagte mal zu uns, dass der größte Teil der Tour nur „Warten auf die nächste Show“ ist. Und auch der Anvil-Trommler bestätigte, dass du eigentlich immer nur von A nach B fährst, aufbaust, Sound checkst und dann fünf bis sechs Stunden Zeit hast. In den meisten Städten waren sie schon zigmal und daher wird die zehnte Stadtrundfahrt auch eher langweilig. So verbringen viele Musiker bis Abends wartend in der Garderobe. Lesen. Telefonieren. Sie spielen PSX, schauen irgendwelche Filme oder haben bestenfalls noch einen Promo-Termin, bis die Show startet. Die Zeit auf der Bühne entschädigt allerdings in den allermeisten Fällen für einen auch mal langweiligeren Tourtag. Möglicherweise war meine Zeit mit der Band dann ja doch eine kleine Abwechslung des „schnöden“ Tourlebens für sie.

17:30 Uhr. Hunger!

Das Catering war mit Roastbeef, gegrilltem Gemüse, Salat, Bratkartoffeln, reichlich Obst, Getränken und anderen Speisen echt vom Feinsten. Egal ob Busfahrer, Guitartech, Tonmann, die Musiker oder ich, der Aushilfs-Roadie. Alle aßen gemeinsam, unterhielten sich und hatten Spaß vor der Show.

Doors!

Punkt 18/30 Uhr öffnete die Markthalle ihre Pforten. 30 Minuten bis zum ersten Supporter.

Grey Attack aus Aachen.

Den vier Musikern merkt man die Spielfreude auf der Bühne gleich an. Nachdem sie Ende letzten Jahres mit Bonfire durch die Republik tourten, waren sie auf der aktuellen ANVIL-Tour als erster Opener an Bord. Grundsolider Hardrock mit kompletten Eigenproduktionen wärmten die Halle in der ersten halben Stunde des Konzertabends vor.

Die Set-List des leider etwas kurzen Gigs:

  • Let me go
  • Take me home
  • I still miss you
  • Inside your head
  • Until I die
  • Over the rainbow

Grey Attack aus Aachen

Nach kurzer Umbaupause bekam die Londoner Band NEONFLY ihren 45 Minuten Slot. Und was soll ich sagen: Die sind richtig, richtig gut!

Merken: Neue Neonfly-Scheibe kaufen!

Vom Style her würde ich Neonfly irgendwo zwischen Helloween und Firewind verorten. Schneller, sehr positiver Metal mit harmonischen und gängigen Melodien. Die Briten shreddern nicht nur einfach Ihre Songs runter. Sie spielen ihre Tracks auf den Punkt genau und schafften es, mich ab dem ersten Takt mitzunehmen. Schon während des Soundchecks am Nachmittag mit dem Titel „Gift to Remember„.

Auch die anderen Metalheads am Abend hatten die Londonern schnell in der Tasche. Für die brillante Präsenz Willi Nortons am Micro hätte die Bühne um ein Vielfaches größer sein können. Frederik Thunder und Andy Midgley an den Gitarren, Paul Miller am Bass und Boris le Gal an den Drums zeigten mit jedem Takt unbändige Spielfreude und Dynamik. 45 Minuten absolutes Top Entertainment.

Ich bin sicher, von der Band werden wir in Zukunft noch einiges hören. Ich kann dir wirklich nur empfehlen, in die Alben der Band reinzuhören und wenn sie live in der Nähe sind: Kauf ein Ticket und geh hin!

Die Neonfly-Setlist des Abends

Whispered Dreams
The Enemy
A Gift To Remember
Medley (The Revenant / The Ornament / Spitting Blood)
Highways To Nowhere
Heart Of The Sun
Morning Star

Ein absoluter Hammer-Auftritt – oder wie Bruce Dickinson sagt: „Let´s burn this place to the ground!“!

21:00 Uhr. Das Finale des Abends: ANVIL!

Pünktlich wie die Maurer startete mit March of the Crabs die Show. Lips ging – wie bei fast jedem Auftritt – gleich mit seiner Gitarre ins Publikum und spielte den Opener-Song zwischen den Fans. Erstmalig hatte ich dieses Erlebnis mit Anvil vor zwei Jahren an gleicher Stelle in der Hamburger Markthalle.

Gefolgt von Klassikern und Tracks des neuen Albums Pounding the Pavement machten die drei Kanadier an diesem Abend wieder richtig Druck. Die komplette Setlist findest Du weiter unten.

Setlist des Abends:

  • March of the Crabs 
  • 666 
  • Ooh Baby 
  • Badass Rock ’n‘ Roll 
  • Doing What I Want 
  • Winged Assassins 
  • Free as the Wind 
  • On Fire 
  • This Is Thirteen 
  • Mothra 
  • Bitch in the Box 
  • Daggers and Rum 
  • Swing Thing

Robb Reiner Drum-Solo

  • Ego 
  • Die For a Lie 
  • Metal on Metal 

Zugabe

  • Running 
  • Born to Be Wild

Zum Sound muss oder kann ich nicht viel sagen. Auf und neben der Bühne war er an diesem Tag einfach mal anders, als wenn ich im Publikum stehe.

Die Band hatte seine Fans von der ersten Sekunde in der Hand und spielte mit richtig viel Spaß. Im Vergleich zum ersten Gig, bei dem ich ANVIL sah, hatten sie heute als Headliner eine deutlich längere Setlist. Als Supporter für Dirkschneider blieben ihnen 2016 nur gute 45 Minuten auf der Bühne. Heute endete der Gig nach ziemlich genau zwei Stunden vor dem begeisterten Publikum.

Den Abbau und das Einpacken erledigte die Crew in kürzester Zeit. Der Tag war für mich also deutlich mehr Entspannung, als Arbeit. Und nicht zuletzt extrem unterhaltsam.

Wir verabschiedeten uns alle noch kurz voneinander, dann fuhr ich wieder heim. In mein Leben. Und das ist sicherlich mindestens ebenso spannend. Zumindest für mich.

Ich bin Anvil Fan hauptsächlich wegen ihrer Geschichte. Sie haben immer und immer wieder kämpfen müssen, was sie meines Wissens auch heute noch tun. Und trotz aller Rückschläge sind sie in meinen Augen immer noch die natürlichen, netten Jungs mit den leuchtenden Augen. Inzwischen seit über 40 Jahren. Da draußen „on the Road“.

Robb, Lips, Chris, James, Sister D., Kristof, Oli, Stefanie und Carsten und wer noch alles dort war. Danke für den Tag und das Erlebnis, ein paar Stunden Teil der Pounding the Pavement-Tour gewesen zu sein!

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Danke für´s Lesen.

Punkt!

 

 

 

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