Inklusion muss laut sein! Oder: Warum Du trotz Einschränkung dabei bist!

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Bisher habe ich mir immer wenig bis überhaupt keine Gedanken über das Thema „Behinderte und Konzerte“ gemacht. Es gab die barrierefreien Eingänge, gesonderte Bereiche in den großen Locations, häufig auch erhöhte Sitzmöglichkeiten auf Tribünen oder eigens für die Veranstaltung aufgebaute Plattformen mit entsprechenden Auffahrrampen. Punkt. Damit war das Thema für mich durch. Es betraf mich nicht direkt, also kam es mir auch nicht in den Sinn, mir darüber Gedanken zu machen.

Erstmals wirklich in Kontakt kam ich mit der Kombi „Konzert als Rollifahrer“ bei einem Maiden-Open Air 2013 in Oberhausen. Eine liebe Bekannte von mir begleitete damals einen im Rollstuhl sitzenden Metal Fan, von dem ich mir in Bezug auf die Anzahl von Konzertbesuchen vermutlich noch ne Scheibe abschneiden kann. Das beeindruckte mich extrem. Nicht die Frequenz der Konzerte, sondern eher der Umgang mit seinem Handicap. Was mir seinerzeit aufgefallen ist, dass – gerade wenn der Rolli-Bereich weit vorn an der Bühne ist – das Problem bestand, durch die Menge nach vorne kommen zu müssen. Einen wirklichen „Weg“ dorthin, den man in der Höhe und rollend bequem fahren kann, gab es nicht. However. Irgendwann waren wir halt vorn. Damit war das Thema dann auch schnell wieder vom Schirm und zugegeben: Ein paar Tage später einfach vergessen.

Stollen und Matsch! Die perfekte Kombination. Wacken 2016 - Copyright www.I-M-L-S.com

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Manchmal ist es ein Wort, über das man stolpert.

Im Rahmen meiner Wacken-Vorbereitungen 2016 stieß ich dann irgendwann auf einen Bericht über den Verein „Inklusion muss laut sein“. Inklusion!? Ahja… Keine Ahnung, was die damit meinen. Aber wenn es laut ist?! Zeig mal her.

Wikipedia schreibt dazu folgendes: Der Begriff Inklusion beschreibt in der Soziologie den Einschluss bzw. die Einbeziehung von Menschen in die Gesellschaft. Der Begriff ist komplementär zu dem der Exklusion; der eine Begriff ist ohne den anderen nicht denkbar.

Verstanden! Den Verein schau ich mir mal an.

In Vorbereitung auf die Metal Dayz 2016 am letzten Wochenende fand ich einen Hinweis, dass die Jungs und Mädels von „Inklusion muss laut sein“ auf dem Stand der Wacken Foundation vertreten sind. Auf der Facebook-Seite bekam ich schon einige Informationen und nahezu 2.000 Fans tummelten sich auch schon dort. Prominent vor der Halle mit einem kleinen Stand vertreten, lernte ich Ron und Cathleen von „Imls“ kennen. Schon mit den ersten Sätzen merkte ich, mit welcher Begeisterung die beiden an das Thema gehen. Ron hatte IMLS vor guten acht Jahren gegründet und erklärte mir das Thema wie folgt:

Einfach mal machen! IMLS während der Metal Dayz 2016

Einfach mal machen! IMLS während der Metal Dayz 2016

Er selbst war als Betroffener jahrelang nicht zu Konzerten gegangen. Irgendwann hatte er sich aufgrund seiner Liebe zum Metal doch überwunden und berichtete anschließend von seinen Erlebnissen im Web. Und wie es so ist: Die ersten Anfragen und Anmerkungen kamen von weiteren Betroffenen und immer mehr wurde klar, dass es zu wenig Möglichkeiten für Menschen mit Handicap gibt. Sei es, dass keine geeigneten Rampen oder Eingänge vorhanden waren. Oder einfach nur das Problem, dass Du als Blinder oder Rollifahrer nicht mal unbedingt problemlos zum nächsten Konzert kommst. Grund genug für Ron, ein Netzwerk von freiwilligen Helfern und Konzertgängern aufzubauen, die sich gerne während der Veranstaltung um die – leider im täglichen Leben immer noch – benachteiligten Rocker kümmerten. Das System funktioniert eigentlich ganz einfach: Du registrierst Dich auf der Seite von INKLUSION MUSS LAUT SEIN. Als Voraussetzung gibt es nicht viel, lediglich bei folgenden Punkten solltest Du Dich angesprochen fühlen:

  • Du gehst gerne zu Konzerten, Festivals, ins Theater oder anderen Veranstaltungen
  • Du bist zuverlässig
  • Du hast keine Berührungsängste im Kontakt mit behinderten Menschen

Das war es eigentlich auch schon!

Wenn also jemand mit Handicap zum Konzert möchte, meldet er sich über das Netzwerk und bekommt in der Regel zwei mögliche Kandidaten vorgeschlagen. Die Auswahl ist sinnvoll, da auch der Sympathiefaktor nicht außer Acht gelassen wird. Wenn sich das Team dann gefunden hat, geht´s auch schon los. Ihr trefft Euch vor dem Konzert und besucht es gemeinsam. Völlig unangebracht ist bei der Geschichte eine Scheu vor Menschen mit Behinderung und Mitleid! Diese Menschen brauchen und wollen kein Mitleid! Sie meistern ihr Leben hervorragend, mit deutlich größeren, körperlichen Schwierigkeiten, als Du sie vermutlich und hoffentlich hast.

Häufig ist es so, dass Du als Begleitperson auch gleich ein kostenloses Ticket bekommst. Helfer benötigen in der Regel kein kostenpflichtiges Ticket und auch extra Eingänge werden oft zum vereinfachten Einlass zur Verfügung gestellt.

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Das Netzwerk freiwilliger Helfer

Kein Vorteil ohne schwarze Schafe!

Wie Du Dir möglicherweise vorstellen kannst, gibt es immer wieder den einen oder anderen Komiker der meint, sich über diesen Wege noch Zutritt zu einem eventuell ausverkauften Konzert oder Festival verschaffen zu können. Das ist der komplett falsche Weg, sich bei IMLS zu engagieren. Es geht hier nicht nur um Dich! Ebenso geht es auch nicht ausschließlich um den Rollifahrer, Blinden oder sonst wie gehandicapten Menschen.

Es geht um das Erlebnis, gemeinsam zum Konzert zu gehen und Spaß zu haben!

Gerade vor großen Veranstaltungen wie das nahezu jedes Jahr ausverkaufte Wacken Festival häufen sich die Anfragen von Helfern, die sich auf diesem Wege einen preiswerten oder gar kostenlosen Eintritt verschaffen möchten. Möööp! Falscher Weg, falsche Denke! Mit dieser Einstellung hast Du dann leider nix bei IMLS zu suchen! Vielmehr werden in dem Netzwerk von freiwilligen und ehrenamtlichen Helfern Menschen gesucht, die eh zu dem jeweiligen Konzert wollten und auf diesem Wege einfach noch jemanden mitnehmen. Scheiß auf die Behinderung! Wir wollen Spaß! Trotz einiger Hindernisse, die es trotzdem zu bewältigen gibt.

Und wenn Du jetzt noch unsicher bist: Melde Dich einfach bei Ron auf der Seite von IMLS und frag, ob Du mal – ohne jegliche Verpflichtung – mitgehen kannst und Dich so von dem Spaß inspirieren, aber auch die Herausforderungen überraschen lassen kannst. Einzig ein Ticket für die jeweilige Veranstaltung solltest Du haben und schon kannst Du Deinen lauten Inklusions-Abend erleben.

Inklusion muss laut sein! Zeichnung vom Künstler Jens Rusch!

Inklusion muss laut sein! Zeichnung vom Künstler Jens Rusch!

Und was noch?

Der Begleitservice ist aber bei weitem noch nicht alles, was IMLS leistet. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf den Gesprächen und der Beratung von Veranstaltern. Wo können Behinderte mit wenig Kostenaufwand integriert werden. Wo kann die Veranstaltung, der Weg zum Tresen, in die Halle oder auch zu den Toiletten optimiert werden. Häufig ist es ganz einfach und mit wenig finanziellen Aufwand für den Veranstalter getan. All diese Möglichkeiten besprechen Ron und seine ehrenamtlichen Helfer mit den Verantwortlichen der Branche.

Und wenn nötig, schreibt Ron auch gleich noch einen Reiseführer 

Ein schönes Beispiel hierfür ist der Reiseführer „Wacken on Wheels“. Barrierefreier Urlaub – Made in Schleswig-Holstein. Eine gedruckte Ausgabe in englischer und deutscher Sprache, die Menschen mit Behinderungen das Festival in Wacken und Umgebung ein Stück weit vereinfachen. Wo gibt es Geldautomaten, wo kann ich schlafen, wo ist dieses, wo ist jenes… Geplant sind solche Veröffentlichungen für die Zukunft auch für andere, spannende Projekte. Einzig das Geld fehlt für solche, doch sehr zeit- und kostenintensiven Vorhaben. Daher freut sich Inklusion muss laut sein über jede Unterstützung. Sei es durch Deine aktive Mitarbeit oder eben durch Deine Spende.

Wacken on Wheels - Der Reiseführer für einen barrierefreien Wacken-Urlaub

Wacken on Wheels – Der Reiseführer für einen barrierefreien Wacken-Urlaub

Aktuell geht es darum, in Itzehoe ein Büro zu finden. Vier fest angestellte Mitarbeiter sind vorerst geplant. Zwei mit Handicap, zwei ohne. Da helfen sicherlich nicht nur die Spenden, sondern auch Preisgelder, die IMLS in der Vergangenheit und hoffentlich auch Zukunft aus Fördertöpfen bekommt. Einige tolle Auszeichnungen und Nominierungen hat es schon gegeben. Berichte darüber findest Du mit Klick auf diesen Link von Inklusion muss laut sein.

Live und in Farbe findet Ihr INKLUSION MUSS LAUT SEIN am 2. Oktober auf der MS Stubnitz in der Hamburger Hafen City bei „We rock the North Pt. 3“. Auch der NDR hat sich angemeldet und wird über das Projekt berichten. Tickets findet Ihr über die Webseite vom Ballroom Hamburg.

Und noch eine letzte Bitte an Euch: Wir müssen bekannter werden! Bitte teilt den Beitrag wie die Hölle, erzählt Euren Freunden und Bekannten von uns und vielleicht sehen wir uns ja auch mal direkt bei einem Konzert. Wenn Ihr gemeinsam mit uns einen Inklusions-Abend feiert! Und ansonsten schaut immer wieder mal auf der Facebook-Seite und der Webseite vorbei. Es bleibt spannend!

Danke!

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