Von epischen Shows, echtem Rock’n’Roll und einem bittersüßen Abschied auf Zeit
Planet Wacken hat gerufen – und 85.000 sind gekommen. Die 34. Ausgabe des größten Metal-Festivals der Welt hat wieder einmal alles geboten, was das Herz eines Rock- und Metal-Fans höherschlagen lässt: Gigantische Shows, Überraschungsgäste, unvergessliche Momente – und das typische „Rain or Shine“-Feeling auf 423 Hektar norddeutscher Wildnis.
Rain or Shine – Das Wetter, der Platz, das Leben auf dem Acker
Wacken 2025 zeigte sich wettertechnisch von beiden Seiten: Während der Mittwochnacht die ersten gut 20 Liter pro Quadratmeter runterkamen, war der Donnerstag mit überraschend viel Sonne und angenehmen Temperaturen am Start. Und auch die folgenden zwei Tage waren Regen und Sonne im Wechsel, der Samstag war allerdings mehr Regen, als alles andere. Doch wer Wacken kennt, weiß: Matsch gehört dazu wie der Gitarren-Sound zum Solo. Der Platz hielt trotz allem verhältnismäßig gut – dank 35 Kilometern mobiler Schwerlaststraße, ausgeklügeltem Drainage-System und einer Crew, die auch unter widrigsten Bedingungen Großartiges leistete. Klar, es war matschig, es gab große Wasserflächen, aber wirklich tief waren sie nicht wirklich. Zumindest in dem Bereich, in dem wir unterwegs waren.
Die Bühnen: Faster, Harder, Louder und noch so viel mehr
Insgesamt zehn Bühnen – darunter Faster, Harder, Louder, W.E.T., Wackinger und das kultige Wasteland – sorgten für Nonstop-Beschallung. Die LED-Wände waren glasklar, die Soundqualität auf allen Bühnen durchgehend exzellent – eine logistische Meisterleistung, gestemmt durch über 1000 LKWs und 75 Sattelzüge voller Material. Was mich aber nachhaltig beeindruckt hat, war der Schalldruck der Bassboxen im Fotograben direkt vor der Bühne. Alter Schwede! Da hilft dir auch kein noch so ausgeklügeltes Ohrenschutz-System, wenn die Bässe dir den gesamten Körper durchschallen.
Ein Line-up für die Legendenbücher?
Guns N’ Roses lieferten einen neuen Rekord-Gig, der zwischen Genie und Wahnsinn pendelte. Insgesamt standen die Amerikaner drei Stunden und 18 Minuten auf der Bühne. Klar, Slash spielt gerne mal ein sieben Minuten Solo als Start in einen Song, aber das ist schon ein Wort. Drei Stunden hatte ich sie zwar schonmal gesehen, das war allerdings vor sieben Jahren und an einem Abend, an dem Axl wirklich gut abgemischt war. Schnell wurde hier in Wacken allerdings klar, dass die Stimme von Axl Rose hörbar gealtert war. Die Sekundärstimmen von Slash und Duff wurden entsprechend lauter gestellt, doch an der einen oder anderen Stelle schimmerte Axl durch – und wenn, dann klang sie „fürchterlich“, wie ein Fan trocken bemerkte. Die Show an sich? Gigantisch. Feuer, Klassiker, Pathos – Wacken bekam die volle Dosis „Metal-Show“.
Aber da wir gerade bei Micky Maus sind: Eines der Highlights des diesjährigen Wacken ist sicher das neue „Walt Disney – Das lustige Taschenbuch – Donald Duck Heavy Metal – präsentiert von Wacken„. Damit hat es die Musikrichtung endlich auch in die Comics geschafft. Einige Auftritte bei den Simpsons gab es ja schon mit Judas Priest, Metallica und Aerosmith. Ein eigenes Taschenbuch von Disney gab es meines Wissens bisher allerdings noch nicht.
Zurück zu den Live-Gigs
Michael Schenker Group trat mit Fokus auf die legendären UFO-Jahre auf und sorgte für ein echtes Highlight: Slash betrat als Überraschungsgast die Bühne und spielte mit – ein echter Gänsehaut-Moment! Eigentlich sollte er mit seiner Band Guns ´n Roses später als Headliner auf der Bühne stehen, aber der Auftritt war schon geil! Einziger Wermutstropfen: Bei „Doctor Doctor“ wartete der gemeine Iron Maiden- Fan vergeblich auf ein Erscheinen von Iron Maiden. (Hinweis: Jedes Iron Maiden-Konzert hat als Intro Doctor Doctor von U.F.O.).
BAP? Eine Sensation! Wolfgang Niedecken spielte sich mit seiner kölschen Truppe geradewegs in die Herzen des Publikums. Ein Auftritt, der zeigte, wie Rock aus Deutschland auch 2025 noch authentisch, relevant und bewegend sein kann. 74 Jahre alt ist Wolfgang Niedecken inzwischen, aber noch immer rockt der die Band mit einer Leidenschaft, die sich direkt auf das Publikum übertrug. Elf Songs passte in den zirka 60-minütigen Gig. „Ne schöne Jrooß“ und „Kristallnaach“ ebenso enthalten, wie der wohl bekannteste Hit „Verdamp lang her!„. Ich hab BAP zuletzt 1995 gesehen und muss sagen, dass ich von ihrem Auftritt in Wacken mehr als begeistert bin. Respekt!
Grave Digger feierten ihr 45-jähriges Bandjubiläum – mit einem gewohnt soliden, druckvollen Gig. Die Klassiker saßen, der Sound war fett, das Publikum textsicher. Ein Pflichttermin für Fans der alten Schule. Ich kenne die Band noch mit Manni Schmidt, der unter anderem auch bei Rage spielte und heute mit Refuge unterwegs ist. In den letzten Jahren habe ich sie ein wenig aus den Augen verloren, nach dem Auftritt hier in Wacken werden ich mich aber definitiv wieder mehr in die Musik von ihnen eingraben.
Für Fans: Die Band ist dieses Jahr auf eine Tour warten, ist es etwas mau. Ein Gig ist in Coesfeld im Januar 2026 angekündigt, außerdem spielen sie noch beim Bangers & Manics Birthday Bash in Rostock. Tickets gibt´s direkt hier!
Wacken United / Artist / Presse Camp – Luxus und Lagerfeuer-Feeling
Das Wacken United Camp bot wieder einmal beste Bedingungen für Künstler, Medien und Supporter. Die Versorgung mit Strom, Sanitäranlagen, Shuttle-Verbindungen und Working Spaces war herausragend. Die Orga für Pressevertreter ließ keine Wünsche offen – vom CheckIn über Info-Boards bis zur Erreichbarkeit des Medienteams: großes Lob! Auch Conny Reimann, der wohl bekannteste Auswanderer Deutschlands, zeigte sich mit Ehefrau im Camp – ganz entspannt und „back to the roots“.
Ein kurzer Weg über die Brücke und schon standen wir vor den beiden Hauptbühnen. Bei dem Wetter- und den Schlammverhältnissen ein nicht zu unterschätzender Vorteil.
Das Camp kann im übrigen auch von jedem Besucher gebucht werden. Neben dem regulären Ticketpreis erfolgt dann ein Aufschlag, der dieses Jahr bei knapp unter 1.000 Euro lag.
Beyond the Black, Saltatio Mortis & Co.: Showgrößen auf Wacken
Beyond the Black beeindruckten mit einer LED-betonten Show, viel Pyro und einer Jennifer Haben in absoluter Bestform. Ihre Bühnenpräsenz war mitreißend, die Stimme klar und kraftvoll. Eine Band auf internationalem Niveau, die immer wieder Spaß macht. Egal, ob sie beim „Schreibtischkonzert“ ein Akkustikset, oder eben auf Festivals und Touren den voll elektrischen Metal auspackt. Beyond the Black sind einfach eine Empfehlung auf höchstem Niveau, großartig auch ihr Auftritt im letzten Jahr auf dem ElbRiot in Hamburg.
Saltatio Mortis feierten ihre 25-Jahre-Show – mit fliegendem Alea, opulenter Inszenierung und mächtig viel Energie.
25 Jahre gibt es die Band inzwischen. Ich habe sie leider erst im letzten Jahr für mich entdeckt, da allerdings mit voller Wucht! Zumindest behauptet Spotify, dass ich sie 2024 fast zwei Tage durchgehend gehört habe, was sicher nicht zuletzt am diesjährigen Wacken-Opener „Finsterwald“ lag, der im letzten Jahr in Kooperation mit Blind Guardian-Sänger Hansi Kürsch erschien.
Gesanglich ging es „einen Strich drüber“, hieß es kritisch im Publikum, doch für einen Headliner-Slot auf Wacken war der Auftritt mehr als nachvollziehbar. „Ich wäre vermutlich gestorben“, raunte ein Besucher – vielleicht vor Ergriffenheit, vielleicht wegen der Lautstärke. In jedem Fall: episch und für mich einmal mehr eines der diesjährigen Highlights auf der Setlist. Schade, dass es wie aus Eimern geregnet hat, dennoch tat es der Qualität des Gigs keinen Abbruch. Als Gastsängerin trat Ina von „deine Cousine“ auf, die schon am Nachmittag auf der Wacken-Bühne stand. Hier ein paar Songs vom 2023er Auftritt der Band in Wacken.
Deine Cousine spielte aggressiv auf – manche fanden es aufdringlich, andere feierten sie für ihre Power. Später trat sie gemeinsam mit Saltatio Mortis bei deren oben schon genannter Jubiläumsshow auf – eine spannende Crossover-Aktion. Ich habe sie erstmalig 2019 auf dem Hamburger Rathausmarkt gesehen. Laut, ehrlich und direkt ins Ohr.
Kopf & Körper: Metal-Highlights und persönliche Eindrücke
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Die Kassierer: Ihr Hit „Mein Gehirnvolumen“ hallte über den Acker – ironisch, laut, typisch Ruhrpott. Mir zu prollig, ist aber wohl das Konzept.
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Machine Head: Die Band spielte ein kraftvolles etwa 1 h 45 langes Set mit Highlights wie „Imperium“, „Ten Ton Hammer“, „CHØKE ØN THE ASHES ØF YØUR HATE“, „Now We Die“, „Locust“ bis hin zu Klassikern wie „Davidian“ und dem Finale mit „Halo“. Die Auswahl war eine gelungene Mischung aus neuem Album‑Material (aus UNATØNED, erschienen am 25. April 2025) und Backkatalog-Klassikern
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W.A.S.P.: Überraschend stark. Ein Fan fasste es treffend zusammen: „Axl gezeigt, wie man seine Stimme von 1985 nach 2025 transportiert.“. Zuletzt sah ich sie 2012 in der Hamburger Markthalle und war damals ziemlich enttäuscht von der Performance. Vielleicht hatte ich mir einfach nur etwas anderes vorgestellt oder war eben noch in meinem ersten WASP-Konzert, damals als Vorband von Iron Maiden bei der 1986-Tour „Somewhere in Time“, bei der Lawless & Co. mit der Inside the Electric Circus-Tour unterwegs waren. Das Set in Wacken umfasste 13 Stücke und so ziemlich jeden Hit, den sie je geschrieben haben. I wann be somebody, Blind in Texas, Love Machine and Wild Child – alles vorhanden, alles sauber gespielt. Einfach ein geiler Gig. Alles dazu gesagt!
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Within Temptation: Tolle Musik, starke Produktion – doch die Stimme von Sharon den Adel wurde für manche auf Dauer anstrengend. Scheinbar ein häufigeres Problem von Bands, die mit hohen – opernähnlichen – Stimmen arbeiten. Ein Blick zu Tarja und auch Nightwish zeigen, dass es bei einigen Zuhörern auch mal zu genervten Sprüchen kommen kann. Ich selbst höre sie gerne mal zwei oder drei Stücke, dann reicht es mir auch. Was ich in keiner Weise mit einer Kritik gleichsetzen möchte, ganz im Gegenteil.
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Dirkschneider: „40 Years of Balls to the Wall“ – diese Tour ist ein Dauerbrenner, und auch in Wacken wieder ein wuchtiges Erlebnis. Ich habe diesen Auftritt zugegebenermaßen im Stream gesehen, da ich die Tour schon vor einigen Wochen in der Hamburger Freiheit erleben durfte. UDO, Andrey – der im Pressezelt einen Gitarrenworkshop während des WOA abhielt – und nicht zuletzt Peter Baltes, der vor einigen Jahren von Accept zu U.D.O. wechselte, lieferten einmal mehr einen hochprofessionellen und mitreißenden Auftritt ab. Dirkschneider macht einfach Spaß – ob mit Studioalben oder eben live und raw.
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Papa Roach: Einer der Headliner – und „die Bühne abgerissen“. Anders kann man den Auftritt von Jacoby Shaddix nicht beschreiben. Vom ersten Ton an hatte er die Menge im Griff. Kill the Noise fesselte das Publikum ebenso, wie „Last Ressort“, der wohl größte Hit der Amerikaner. Sidekick: Solltest du die Stimme von Jacoby mögen, empfehle ich dir mal den Song „Wolf Totem“, den er gemeinsam mit „THE HU“ aufgenommen hat. Die wohl bekannteste, mongolische Heavy Metal-Band, die ebenfalls schon in Wacken auf der Bühne stand.
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Ugly Kid Joe: Solides Konzert, gute Stimmung auf der Louder Stage, „Cats in the Cradle“ sorgte für Lagerfeuer-Gefühle. Ich konnte den Gig leider nur aus der hinteren Reihe sehen. Mir hat das, was ich gesehen und gehört habe, allerdings sehr gefallen.
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Dimmu Borgir & Fear Factory: Für viele schlicht „zu hart“ – aber technisch top. Ich war eher in der „zu hart“-Fraktion.
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Hanabie: Japanischer Metal trifft auf K-Pop – polarisierend. „Nervige Girlie-Band“, sagten manche. Andere feierten die Band für ihren Mut. Ich selbst feierte mich, da ich schneller als sonst gelaufen bin. Weit weg.
Merch, Bier & Ausblick auf 2026
- Festivalshirt 2025: 35 Euro – ein absolut fairer Preis mit starkem Design.
- Bierpreis: 5,60 Euro für 0,4 l – und das bei durchgehend guter Versorgung, nicht zuletzt dank der legendären, einen Kilometer langen Bierpipeline unter dem Acker.
- Wacken 2026: Die ersten Tickets für 349 Euro sind bereits im Verkauf und die ersten Bands bestätigt – unter anderem:
Ein Riesen-Dankeschön an die WOA-Orga, das Media-Team und alle Helfenden Hände für einen reibungslosen Ablauf, perfekte Betreuung und eine Festivalwoche, die wir nie vergessen werden. Wacken war 2025 wieder ein Gesamtkunstwerk aus Schweiß, Schlamm, Strom und Seele – und wir sagen jetzt schon:
SEE YOU IN WACKEN 2026 – RAIN OR SHINE!
Edit: Im Vorfeld wurden 49.000 qm mobile Fahrstraßen verlegt und 3500 Kubikmeter Holzhackschnitzel verarbeitet, um Wege zu befestigen. Bei bis zu 40 Liter Regen pro Quadratmeter hat das leider auch nix genutzt. Alle 55 Trecker sind im Einsatz, am Ende werden alle vom Platz und die meisten sicher auch im nächsten zurückkommen.
Danke für´s Lesen!