Heute muss Alice Cooper niemandem mehr seine Rock’n’Roll-Qualitäten beweisen. In Anbetracht seiner künstlerischen Vita als einer der Begründer des Schock-Rocks ist ihm sein Platz im Pantheon der Rock-Geschichte so oder so sicher.
Untermauert sein neues Album „Road“ Coopers Platz in den Geschichtsbüchern noch einmal?
„ROAD“ soll wohl ein Konzeptalbum über das Leben in den glorreichen Tagen des Rock’n’Roll sein. Eine Reminiszenz vor allem an Coopers glorreiche Tage. So wirken die ersten paar Songs auch wie ein Bühnenauftritt, wie die Ruhe vor dem Sturm, wenn er sich mit „I’m Alice“ und „Welcome to the Show“ dem Publikum vorstellt.
Doch gleich vorweg: Obwohl Cooper immer noch den unverkennbar rotzigen Ton in der Stimme hat, der Alben wie „Love It To Death“ und „Welcome to My Nightmare“ so einzigartig gemacht hat, der Star der Show ist während des größten Teils des Albums seine Begleitband. Vor allem, die Gitarrenarbeit von Nita Strauss ist eine perfekte Mischung aus Vintage-Rock und technischem Können. Sie schafft es bei einigen Parts klassischen Rock’n’Roll wiederzubeleben, um dann wieder an die Großen des Seitenspiels zu erinnern. Sehr beeindruckend!
Stark ist aber auch Coopers Attitüde in seiner Darbietung. Er hat immer noch sehr viel Verve und diese Lässige Art, die vermittelt: Mir kann keiner was! Ich würde zwar Ozzy Osbournes jüngstes Werk „Patient Number 9“ insgesamt als spannender bezeichnen, die Performance von Alice ist hier aber eindeutig variabler, theatralischer.
Das Programm führt uns auf Ein-(Rück)Blicke in den Rock’n’Roll-Lebensstil und was dieser einem Menschen antun kann. Und falls die „weiße Linie“ des starken „White Line Frankenstein“ nicht bereits Indiz genug ist, in „Rules of the Road“ spricht Cooper über die Lektionen, die er als lebende Rock-Legende gelernt hat. Cooper erinnert daran, dass der Lifestyle nicht für jeden geeignet ist: Wenn jemand alle (schlechten!) Regeln der Straße befolgt, wird er mit 27 Jahren sechs Fuß unter der Erde sein. „Club 27“ lässt grüßen!
Dann sind da die Songs, in denen Alice sein Alter zu sehr in den Vordergrund rückt. Im Vergleich zu den üblichen jugendlichen Tracks auf Alben wie „Killer“ ist ein Song wie „Big Boots“ zu albern, um wirklich gut zu sein. Simple Doppeldeutigkeiten herrschen hier vor, die auch auf eine 99-Cent-Postkarte stehen könnten. „Go Away“ ist eine der (Gott sei Dank) wenigen Beziehungsgeschichten auf dem Album, in dem Cooper wie ein verärgertes Kind schreit, dass seine liebende Flamme ihn nicht in Ruhe lässt. Das mag zur Figur passen, aber im Kontext wird es eintönig. Zusammen mit dem ziemlich seicht rollenden Rock und dem Alter des Sängers, wirkt das Ganze eher irritierend.
Letzteres trifft eigentlich auch auf „Big Boots“ zu. Doch tritt hier zumindest wieder das Thema des Albums zu Tage und die Spiel- und Gesangfreude tropft aus jedem Akkord. Singen er und die Band wirklich immer nur „She got big BOOTS“?
„The Big Goodbye“ und „Road Rats Forever” zahlen dann wieder angemessen und gelungen auf das Konzept-Konto ein, während die Ballade „Baby Please Don’t Go“ einen dann verwundert auf den letzten Metern zurücklässt. Klar, wir befinden uns hier in der Tradition von Klassikern wie „Only Women Bleed“ und „Take It Like a Woman“ und er erzählt ja auch davon, wie sehr es schmerzt, seine Geliebte zu verlassen, um wieder auf die Straße zu gehen. Aber für mich ist und bleibt Alice Cooper schlicht kein Balladen-Typ und der Schmalz ist mir hier zu dickflüssig. Auch musikalisch!
Mit dem gelungen The Who-Cover „Magic Bus“ lässt Cooper seine „Gäste“ allerdings mit einem positiven Gefühl gegen Ende zurück und liefert zusammen mit der Band (Hammer Drumsolo in der Mitte!) eine starke Performance ab. Eben sehr passend zum Thema der Scheibe. Der Song, von Publikum abschließend mit Applaus bedacht, ist nie langweilig und hält den Zuhörer von Anfang bis Ende bei Laune. Besser als die vielen anderen Cover, die Alice jüngst mit seinen Stargestopften „Hollywood Vampires“ eingespielt hat.
Road ist sicher nicht Coopers bisher bestes Album. Dennoch hat es mehr als nur ein paar großartige Momente, die Hardcore-Fans zufrieden stellen werden. Man könnte leicht zu dem Schluss kommen: Hier sagt einer mit einer Rückschau auf sein Rockleben „Goodbye!“ Nach dem Text von „Road Rats Forever“ zu urteilen, sieht es allerdings nicht so aus, als wolle der König des Schock-Rocks seine Lederjacke an den Amp hängen: „Till our dying Breath.“
Svens Bewertung: (6/10)
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